Warum lesen wir das Alte Testament

Auch an der Bibelschule, an der ich unterrichte, nimmt das Studium des Alten Testaments viel Platz ein. 28 „Credits“ (was etwa 730 Stunden Studienzeit entspricht) sind in den drei Jahren dem Studium des AT gewidmet, was mehr als die Hälfte (53%) der Credits in Bibelkunde ausmacht.

Die bleibende Bedeutung des Alten Testaments im Neuen Bund

Manchmal trifft man Christen, die meinen, das Neue Testament habe das Alte abgelöst. Aber warum ist es so wichtig für uns, auch das Alte Testament zu lesen?

Ohne solide Kenntnisse über das Alte Testament kann man nicht das Neue Testament verstehen. Adam und Eva, Abel und Kain, Henoch, Noah, Abraham und Sarah, Isaak.... alle diese alttestamentlichen Gestalten finden sich auch im Neuen Testament wieder. Etwa 10% der Worte Jesu sind direkte Zitate oder Anspielungen auf das Alte Testament. Immer wieder zitieren auch die Apostel aus dem Alten Testament. Wie selbstverständlich setzen sie voraus, dass auch Heidenchristen die Geschichte Israels kennen (so Paulus in 1. Korinther 10,1-11) und die Psalmen beten (Epheser 5,19). Diese Rückbezüge ermöglichen es, die Rettung am Kreuz in den großen Zusammenhang der Heilsgeschichte Gottes für die Menschheit einzuordnen. Jesus hat keine neue Religion gestiftet, sondern die Jahrhunderte überdauernden Verheißungen der Propheten erfüllt.

Das Alte Testament immer noch hochaktuell

Oft denke ich an ein Gespräch mit einer christlichen Psychologin zurück, die für die Beratung unserer Studenten zur Verfügung stand. Sie bedauerte, dass viele Gläubige recht naiv sind und die weitverzweigten Auswirkungen der Sünde bis in unsere Familien und Gemeinden hinein unterschätzen. Wie kann man Christen helfen, weniger realitätsfremd zu sein?

Auch hier ist das wache Lesen des Alten Testaments von herausragender Bedeutung. Wo kann man besser lernen, wie eng und vielschichtig Gut und Böse nebeneinander liegen, als beim Nachdenken über die Patriarchen, Richter und Könige? Rivalitäten unter Brüdern, Gewalt gegen Frauen, Zweifel an Gottes Verheißungen…: Die Geschichten des Alten Testaments bieten ausreichend Anschauungsmaterial, um zu erkennen, wozu auch der frömmste Mensch in der Lage ist. Die Botschaft der Bibel lautet eben nicht, dass die Gläubigen so geniale Menschen sind, sondern dass Gott seinen Heilsplan zum Ziel führt (5. Mose 50,20; Römer 5,20).

Das Alte Testament ist unverzichtbar, um zu lernen, unseren Glauben im Alltag zu leben

Gott im Alltag

Das Alte Testament ist unverzichtbar, um zu lernen, unseren Glauben im Alltag zu leben. Gleich auf den ersten Seiten wird uns Gott als der Schöpfer vor Augen gemalt. Der Mensch als Bild Gottes, als sein Stellvertreter mit dem Auftrag, die Erde zu verwalten – erst vom Schöpfungsauftrag her verstehen wir, dass Gottesdienst nicht nur am Sonntag in der Kirche stattfindet, sondern jeden Tag im Familienleben, auf der Arbeit und im gesellschaftlichen Gestalten.

Gerade die Weisheitsliteratur des Alten Testaments liefert hier wertvolle Einsichten. Hiob lehrt uns, trotz Schicksalsschlägen Gott zu vertrauen. Das Sprüchebuch beinhaltet praktische Ratschläge für die Umsetzung des Glaubens im Alltag. Das Predigerbuch erklärt, wie man weise lebt im Wissen um die Endlichkeit der menschlichen Existenz. Das Hohelied feiert die Schönheit der ehelichen Liebe.

Hoch lebe das Alte Testament! Hoch lebe das Lesen des Alten Testaments in unseren Gemeinden, Bibelschulen und in der persönlichen Stillen Zeit! Dreimal hoch!

Hinweis: Die Beiträge von Missionaren sind persönliche Zeilen und geben nicht notwendigerweise die Meinung der VDM wieder.

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