Vertrauen auf dem Prüfstand
„Weil du immer lügst!“ Das saß, was man am Gesichtsausdruck ablesen konnte. Ob es stimmte oder nicht, sei dahingestellt; aber es spiegelte die Wahrnehmung eines Menschen wider und kam in der Vertrauensübung an die Oberfläche, wo sie für alle Anwesenden hörbar war. Zuvor hatten wir die Jugendlichen zu zweit losgeschickt, um einander zu führen. Jeweils eine Person war blind und der Führung der anderen Person „ausgesetzt“.
Die Sinne sind uns gegeben, um die Welt um uns herum physisch zu erfassen und wahrzunehmen. Fehlt der Sehsinn, können wir uns nicht mehr so frei bewegen, vor allem, wenn wir noch unerfahren darin sind, ohne ihn zurechtzukommen. Wir sind verletzlicher, abhängiger. Es kann sich auch ein Gefühl der Hilflosigkeit einstellen. Wenn wir nicht mehr sehen können, kommen oft Dinge an die Oberfläche, die wir sonst gut verstecken oder deckeln können: Ängste, Zweifel usw.
In diesem Fall waren die Jugendlichen aufeinander angewiesen und mussten einander vertrauen. Dabei wurde deutlich, wo es bereits Vertrauensbrüche gab und wo Vertrauen die Grundlage war bzw. wo die Blinden dem Leiter einen Vertrauensvorschuss gaben. Wir konnten sie nicht wie Jesus auf das Wasser rufen als Erweis ihres Vertrauens; aber wir konnten ihnen eine ähnliche Erfahrung geben, die es ihnen ermöglichte, einerseits ihre Beziehung zueinander zu reflektieren und andererseits daraus Wahrheiten über ihre Beziehung zu Jesus abzuleiten. Und ich bin sicher, dass diese Erfahrung weiter an ihnen arbeiten wird. Bei mir hat sie das getan, obwohl ich keine Augenbinde trug.
Aber die Teens zu beobachten hat mir gezeigt, wie unser Verhalten wahrgenommen und gespeichert wird: In heiklen Situationen zeigt sich, was wirklich das Fundament der Beziehung ist. Es wird sichtbar, welche Glaubenssätze sich in mir eingebrannt haben. Wo fehlt mir das Vertrauen zu Jesus? Wo habe ich Glaubenssätze gespeichert, die nicht der Wahrheit entsprechen? Wie nehme ich Jesus in meinem Leben wahr? Wie wirkt sich das auf meine Beziehung zu ihm aus? Und wie können wir einander helfen und uns gegenseitig ermutigen, ihm zu vertrauen?