Licht und Finsternis

Im Deutschen spricht man von „Schattenseiten“ und meint damit Nachteile – ein Beispiel dafür, wie unsere kulturellen Werte auch in unseren Sprachgebrauch einfließen.

Wer aus heißeren Ländern nach Deutschland kommt, dem fällt sofort auf, dass die Sonne aufgesucht wird: Strände, Fußgängerzonen, Freibäder, Caféterrassen usw. – hier wimmelt es von Menschen, wenn die Sonne scheint.

Schatten als Zufluchtsort

In einem Land wie Paraguay dagegen sucht man den Schatten. An sonnigen Tagen sind die Straßen wie ausgestorben, man findet Menschen höchstens unter Bäumen und Schattendächern, oft mit einem eiskalten Tereré. Dafür wird abends, wenn die Tageshitze vorbei ist, alles lebendig. Hier ist Sonnenschein nämlich nicht wie in Deutschland eine willkommene Abwechslung, sondern oft bedrückend und sogar gefährlich.

Auch in der Bibel bedeutet „Schatten“ nicht immer etwas Schlechtes; an vielen Stellen wird der Schatten dargestellt als eine Zuflucht vor der glühenden Hitze, als einen Ort, wo man sich abkühlen und verschnaufen kann.

Nicht alles, was mich stört, ist „finster“

Öfter als „Licht und Schatten“ findet man in der Bibel die Gegenüberstellung „Licht und Finsternis“. Da brauche ich als Missionar viel Unterscheidungsvermögen: Mein Anliegen ist es, Menschen aus der Finsternis ins Licht zu führen; aber vieles von dem, was mich im Alltag stört, ist nicht „finster“.

Ich könnte eine lange Liste aufstellen mit den „Schattenseiten“, mit denen ich mich in dieser Arbeit täglich abgeben muss – aber gehört das von mir subjektiv als „schlecht“ Empfundene wirklich zu der „Finsternis“, die ich als Missionar bekämpfen soll? Oft habe ich sie einfach zu akzeptieren, damit sie mich nicht von den eigentlichen Aufgaben ablenkt.

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