Ein „halbes“ Kind

Ich, Johanna, bin in Deutschland geboren und aufgewachsen mit einer thailändischen Mama und einem italienischen Papa. Als wäre das nicht schon Zerrissenheit genug, war mein Leben zudem geprägt von unzähligen Umzügen: immer neue Kontexte, sich immer wieder neu finden, etablieren und beweisen.

Verlangen nach Zugehörigkeit


In Deutschland sieht man zuerst mein fremdes Äußeres und nimmt dann im Laufe des Gesprächs positiv wahr, dass ich tatsächlich Deutsche bin. Hier in Thailand ist es jetzt genau andersherum: Ich sehe aus wie eine Thai und spreche akzentfrei, aber verwirre alle damit, dass ich die Sprache erst noch richtig lernen muss. Beides sind keine schönen Gefühle, denn als Menschen haben wir doch das tiefe Verlangen, irgendwo uneingeschränkt dazuzugehören und angenommen zu sein.

Erinnerung für meine Seele


Ganz oft muss ich deshalb an Mose denken, der im Palast des Pharao aufwuchs, dann 40 Jahre im fremden Midian lebte und später als weitestgehend Kulturfremder die Israeliten ins Unbekannte führen sollte. Aber auch Josef, der nach Ägypten verkauft wurde, Esther, die Königin von Persien wurde, Uria der Hetiter, Daniel in Babylon, Ruth die Moabiterin, Paulus in seinem Leben als Missionar, Kornelius, der als römischer Hauptmann in Judäa lebte: Sie alle machen mir Mut, mich in dieser inneren Zerrissenheit an Gott festzuhalten – an Ihm, der in Jesus ebenfalls von außen in diese Welt kam und Missverständnisse, falsche Erwartungen, Vorurteile und sogar Anfeindungen kennt wie kein anderer.

Zugleich zeigt mir das Lesen der Bibel immer wieder heilsam auf: Das unangenehme Gefühl des Fremdseins ist eigentlich auch eine sanfte Erinnerung für meine Seele, dass ich die wahre Heimat noch nicht erreicht habe, aber mich freuen darf, auf dem Weg dorthin zu sein.

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