Berufen, Bindeglied zu sein
Neulich hörten meine Mädels und ich (Annethea) eine CD mit alten afrikaansen Kinder-Lobpreisliedern, die ich noch aus meiner Kindheit in Namibia kenne. Als ich die Zeilen eines bestimmten Liedes hörte, hatte ich so etwas wie einen Aha-Moment. Der Text lautete: „Weet jy nie, weet jy nie, jy is 'n tempel?“ (Weißt du nicht, dass du ein Tempel Gottes bist?) Ich glaube nicht, dass ich dieses Lied als Kind wirklich verstanden hatte, vielleicht dachte ich, es sei ein Bild von Jesus, der in uns wohnt, und deshalb sei ich irgendwie sein Haus.
Aber nachdem ich in den letzten Jahren viel nachgedacht habe über unsere Rolle als Nachfolger Jesu in der Bewahrung der Schöpfung, hat mir der Text des Liedes dieses Mal ein anderes Bild vor Augen gemalt von dem, was es bedeutet, dass mein Körper Gottes Tempel ist (nach 1. Korinther 6,19). Das Bild, das sich mir bot, war das eines Ortes, an dem sich Himmel und Erde treffen, eine Fortsetzung von Elementen wie dem Garten Eden, der Stiftshütte, dem Tempel, Jesus selbst. Nun wird es uns, seinen Nachfolgern, geschenkt, Teil dieser Erlösungsgeschichte zu sein, während wir uns auf eine Zeit freuen, in der Himmel und Erde für die Ewigkeit zusammenkommen (wie in der Offenbarung zu lesen). Und so stehen wir hier an diesem Ort zwischen zwei Welten, zwischen Himmel und Erde. Wir stehen aber nicht einfach nur da, wir sind ein Bindeglied zwischen ihnen, da wir in all unserer Gebrochenheit der Welt Gott gegenüber repräsentieren, mit dem Heiligen Geist als unserem Ermutiger und Jesus als unserem Anführer und Vorbild.
In unserer Postgraduierten-Lesegruppe bei Student Y haben wir in diesem Jahr ausgiebig darüber diskutiert, was es bedeutet für die Art und Weise, wie wir unser Leben führen, dass wir an diesem Ort sind, an dem sich Himmel und Erde treffen. Verstehen wir uns selbst und alle Menschen um uns herum als Ebenbilder Gottes? Und was sind die Konsequenzen daraus, wenn wir einander begegnen? Tun wir außerdem alles in unserer Macht Stehende, um die zerbrochenen Beziehungen, die wir um uns herum sehen, wiederherzustellen? Erinnern wir uns daran, dass der Dienst Jesu ein Dienst der Versöhnung ist? Erkennen wir an, dass die Erde und alle ihre Ressourcen Gott gehören – und wie beeinflusst das die Art und Weise, wie wir sie nutzen, und wie wir über eine gerechte Verteilung dieser Ressourcen nachdenken? Betrachten wir unsere Fähigkeiten und unser Eigentum als etwas, das eigentlich Gott gehört, und sind wir in der Lage, radikal großzügig zu sein, wenn wir uns selbst, unsere Zeit und unser Geld geben?
Was heißt all das praktisch, in unserem Alltag? Einige Beispiele: In Kapstadt ist die Obdachlosigkeit in den letzten drei Jahren extrem gestiegen. Unterwegs zum Einkauf ist es eine Ausnahme, wenn niemand dich um Hilfe bittet; meistens begegnen einem zwei oder drei Menschen in Not. An diesen Stellen Weisheit zu haben, wie man am besten helfen kann, ist nicht immer leicht. Wir fühlen uns herausgefordert, uns zumindest Zeit zu nehmen und den Menschen mit Respekt und Würde zu begegnen.
Bei unserem Studenten-Wohnheim gab es neulich einen so großen Konflikt, dass ein Student ausgezogen ist. Im Gespräch mit einem verbliebenen Studenten habe ich gemerkt, dass es da viele Verletzungen gegeben hat. Es ging dann viel darum, wie schwierig es sein kann, uns in solchen Umständen für ein versöhntes Miteinander einzusetzen.
Und schließlich noch ein Beispiel eines Berufsanfängers aus unserer Lesegruppe. Paul (Name geändert) meinte, er schämt sich manchmal für sich selbst: Jetzt, wo er mehr Geld zur Verfügung hat als zuvor, kauft er oft Sachen ohne nachzudenken, obwohl er bisher auch ganz gut ohne sie zurecht gekommen ist. Gleichzeitig spürt er aber diesen Druck, wie seine Kommilitonen Dinge zu haben als Ausdruck dessen, dass er sie sich jetzt leisten kann.
Diese Gedanken und Gespräche mit anderen wie auch in unserer Familie begleiten uns ständig. Sie zeigen uns, dass „Jüngerschaft“ heißt, mit Jesus unterwegs zu sein. Gut, dass wir das in Gemeinschaft tun dürfen und voneinander und miteinander lernen können.